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Kinder mit Stern

  • Toka-Lena Rusnok
  • 4. Feb. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Mai

Martine Letterie, Illustrationen: Julie Völk

© 2019 Carlsen Verlag, Hamburg


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ab 9. Klasse

Deutsch, Geschichte

Besonderheit: ein Kinderbuch über jüdische Kinder im Holocaust - für Jugendliche


Martine Letterie hat ein Buch geschrieben über die Kraft der Kinder, ihren Humor und ihre Fantasie angesichts eines Grauens, das die Erwachsenen über sie gebracht haben.


Ein Kind in ein Vernichtungslager zu transportieren ist brutal und verstörend. Es ist ein Verrat des Versprechens, das Erwachsene Kindern geben sollten: Ich schütze dich und ich helfe dir, zu werden, wer du bist. Ich zeige dir, dass das Leben schön ist, dass es die Natur, die Kunst und die Liebe gibt und dass das neben deinem Anrecht auf körperliche Unversehrtheit und materielle Versorgung das Wichtigste ist, was du für dieses Leben brauchst.


Über diesen Verrat der Erwachsenen schreibt Letterie in ihrem Buch – und über die Antwort der Kinder darauf. Auf der Basis von Interviews mit Überlebenden entwickelt Letterie die Lebensgeschichten der jüdischen Kinder Rosa, Jules, Klaartje, Bennie, Ruth und Leo, deren Alltag sich nach dem Überfall der Deutschen auf die Niederlande grundlegend ändert. Ihr Leben und das ihrer Eltern wird zunächst eingeschränkt und schließlich unmöglich gemacht. In den Niederlanden wurden von den Nationalsozialisten Verfolgte u.a. in dem Lager Westerbork interniert und dann in die Vernichtungslager deportiert. Auch Rosa, Jules, Klaartje, Bennie, Ruth und Leo werden, manche ohne Eltern und Geschwister, nach Westerbork verschleppt. Dort versucht jedes Kind, auf seine Weise zu überleben. Manche von ihnen erfahren, wie stark die Erwachsenen trotz eigener Entbehrungen sind. Ein Vater, der als Lagerkoch für die Kinder Essen abzweigt, oder eine Mutter, die jeden Abend daran erinnert, dass es ein Danach mit köstlicher Schokolade gibt, halten die Hoffnung aufrecht, dass nicht alles verloren ist.


Leo Meijer ist eines der deportierten Kinder, dessen Schicksal im Buch nachgezeichnet wird. Er wurde am 6. Oktober 1944 in Auschwitz vergast. Drei Zeichnungen von ihm begleiten den Text: Ein Dampfer, ein Tannenbaum und eine Blume. Die feinen Zeichnungen auf dem vergilbten Papier, dieser kindliche Versuch, die Realität abzubilden, sind mit das Traurigste an dem Buch. Sie werfen auch die Frage auf, was mit den Erwachsenen passiert sein muss, dass sie fähig waren, den Holocaust zu planen und umzusetzen. Ein Geschenk, dass diese Zeichnungen erhalten geblieben sind.


Die Illustrationen von Julie Völk spiegeln ein tiefes Verständnis für Kinder: für ihre Art zu laufen, zu spielen, zu sitzen, sich zu freuen, zuzuhören, zu staunen. Entsetzt zu sein, verlassen, traurig. Mit ihren Eltern innig verbunden zu sein. Und sie greifen den Text Letteries auf, verstärken und interpretieren ihn. Mit dem Mond unter dem Arm schafft es der verängstigte Leo, in den Zug, der in das Lager fährt, zu steigen. Keine Rettung, natürlich. Aber ein Trost, für diesen einen kurzen Moment.


Ein solches Buch gehört in die Schule. Nicht in erster Linie, um Kinder und Jugendliche dazu anzuhalten, vernünftige Erwachsene zu werden, wie es die Autorin vorschlägt. Das auch, aber eben nicht nur. Mit dem Buch können sich Lehrer*innen und ihre Schüler*innen gemeinsam daran erinnern, dass es ein Versprechen der Erwachsenen gibt und Kinder und Jugendliche ein Anrecht darauf haben, dass es eingelöst wird. Vielleicht ist das sogar die Voraussetzung dafür, dass aus ihnen vernünftige Erwachsene werden.


Zum Weiterlesen: Sternkinder (Clara Asscher-Pinkhof, Hamburg: Oetinger 2012)

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